Der Leiter: Durchschnitt oder „High Potential“?

Bin ich eigentlich „Durchschnitt“ oder liege ich darüber? Welches Potential ist noch da, liegt noch brach? Diese Fragen begleiten mich seit vielen Jahren. Von anderen Leitern, die weiter wollen, höre ich das auch! Warum bewegen einen Leiter diese Fragen? Ist das gut, dass uns diese Gedanken beschäftigen? Vielleicht sogar wichtig? Hängt das mit der Leiterberufung zusammen? Hat Gott uns so gemacht? Oder liegt das in der Persönlichkeit begründet? Ist es am Ende eine Auswirkung des Sündenfalls in Führungskräften, die unter das Kreuz muss? Warum fasziniert Leiter die besondere Leistung: Gemeinden die schnell wachsen, Leiter die Großes auf die Beine stellen, Einfluss haben usw.? Warum besuchen wir gerne Konferenzen mit solchen Persönlichkeiten? (Das machen selbst unsere Mitarbeiter und Gemeindeleute so! Wer gibt schon viel Geld für eine Konferenz mit Rednern aus, die keinen besonderen Ruf haben oder über die nicht etwas „spezielles“ gesagt werden kann!)

Selbst kann man sich da schnell abgeschlagen fühlen, man ist ja irgendwie nur Mittelmaß … Und dann greifen Gedanken von Selbstmitleid nach uns! Oder aber Selbstgerechtigkeit: In Gedanken und Gesprächen werten wir den „erfolgreichen“ Leiter ab, stellen sie in Frage oder ignorieren sie schlicht. Unter Männern (als Leiter) trifft man selten auf selbstlose Anerkennung, Freude und Dankbarkeit über die „Leistungen“ des „Marktbegleiters“, vor allem (und gerade!!!) wenn sie in der „gleichen Liga“ wie wir spielen. Aber zurück zu unseren Grenzen, unserem eigenen Mittelmaß.

Warum empfinden wir Mittelmaß, Durchschnitt eher als nicht so erstrebenswert? Unter uns christlichen Leitern ist es aber auch nicht schicklich „der Beste“ sein zu wollen. Jesus ist nicht dagegen! Er spricht es selbst an: „Wer der Größte sein will …“ Der Größte, der Beste sein zu wollen steht nicht in seiner Kritik sondern wird von IHM auf die richtige Spur gesetzt: „… der sei aller Diener!“ Wären wir nicht gerne als Leiter „größer“, erfolgreicher, fruchtbarer, bekannter … – natürlich nur für Jesus 😉 Was läuft in unserer inneren Welt ab? Was zeigen unsere Tagträume und unsere unzensierten Gedanken? (Wo liegt hier der Unterschied zwischen Frauen und Männern in der Leiterrolle? Geht es Frauen wie uns Männern?). Was also ist gesund, was ehrt Gott, was ist richtig?

In den Posts „Worauf kommt es an?“, „Because he could“, „Der Druck der Selbstverwirklichung“ und „Der herausgeforderte Mitarbeiter – die gestresste Familie“ habe ich mich begonnen mit dieser Frage zu beschäftigen: Wie kann ich als Leiter langfristig gesund und mit Freude Verantwortung tragen, gute Ambitionen entwickeln, große Ziele anstreben? Dabei versuchte ich zu zeigen, dass „ich selbst“ die größte Herausforderung bin. Gerade dann, wenn nicht Gottes Plan sondern meine verwundete Seele die Quelle wird, aus der ich lebe und leite. Wer sind meine Antreiber? „Die Liebe Christi drängt mich …“ schreibt Paulus. Was drängt mich? In den letzten Jahren habe ich mehr Bewusstsein für zwei Bedürfnisse in mir bekommen, die mich „drängen“, sogar antreiben:

Sicherheit und Bedeutung

Der Wunsch nach Bedeutung und Sicherheit sind generell große Triebfedern für Menschen. Auch für Personen mit Einfluss, in Führungsrollen, also für Leiter. Und so begann ich mich zu fragen: Bei wie vielen Entscheidungen haben diese Motive eine (zu) große Rolle gespielt? Um es klar zu halten: Wir alle brauchen Bedeutung und Sicherheit! Gott hat uns so erschaffen. Aber ER hat vorgesehen, dass wir das in der Beziehung zu ihm und an unserem Platz im Volk Gottes finden. Also auch dadurch, dass wir Christen uns gegenseitig beständig ermutigen, trösten, begleiten und auch ermahnen. Wir sind aber gerne unabhängig! Wir wollen es durch unsere eigene Leistung bekommen, durch unsere anerkannte öffentliche Stellung, unsere Erfolge. Wir wollen respektiert werden, gemocht oder wenigstens gefürchtet! Sind wir damit nicht näher an den Politikern und Wirtschaftsbossen, im Blick auf unsere Motive, als uns lieb ist? („Splitter – Balken“ Thema!) Um es in den Worten des Gleichnisses von den verlorenen Söhnen in Lukas 15 zu sagen: Wir suchen unsere Bedeutung und Sicherheit in den Dingen des Vaters, nicht in der Beziehung zum Vater. Das ist ein großes Thema für Christen, besonders für Leiter! Und es ist super schwer zu erkennen: Der ältere Bruder hat immer alles getan was der Vater wollte. (Hätte er nicht das Zeug zu einem vorbildlichen, christlichen Leiter gehabt!?) Erst als die Geschichte anders für ihn ausgeht wird klar, dass es ihm nicht um den Vater ging, sondern um die Dinge des Vaters (vgl. Tim Keller, Der verschwenderische Gott). Wenn wir also nicht bekommen was wir uns wünschten, wenn wir versagen, wenn wir Ablehnung erleben, wenn Gott sich nicht so verhält wie wir es erhofften …, dann erkennen wir unser Herz! Das ist der kritische Test für uns Leiter!!! Wir können uns vor dem Test sehr leicht betrügen.

Den Vater suchen, mein Potential entfalten, mit meinen Grenzen mich versöhnen

Ich möchte gerne den Vater suchen und das volle Potential abrufen, das Gott mir geschenkt hat! Ich liebe es Vollgas zu geben, mit voller Hingabe zu leben. Mittelmaß, Durchschnittlichkeit mag ich eher nicht! Und doch musste ich mich dem Thema nähern. Und zwar, indem ich mir meine Grenzen ehrlich (und schmerzhaft!) anschaute und mich langsam mit ihnen versöhne (noch nicht abgeschlossen!). Bitter musste ich auch erkennen, dass ich so manches im Dienst als Leiter mehr wegen mir und meiner inneren Welt angeleiert habe und immer wieder tue, als aus der Berufung Gottes für mein Leben! Gordon MacDonald hilft mir (durch seine Bücher und Vorträge) in der Reflexion sehr. In jüngster Zeit auch Peter Scazzero. Bei Spiegel Online stieß ich dieser Tage auf den Artikel „Plädoyer für Durchschnittlichkeit: Mittelmaß ist spitze“. Auch dort fand ich eine Reihe weiterer Anregungen zu dem, was mich grundsätzlich für diese Fragestellung bewegt. Als Leiter sollten wir uns intensiv und beständig mit diesem Thema auseinandersetzen. Wir sind nie fertig damit!!!

Über Lothar Krauss

Ehemann | Vater | Pastor | Blogger | Netzwerker
Dieser Beitrag wurde unter Die Person des Leiters, Lothars Leiterpost, Speziell für Pastoren abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Der Leiter: Durchschnitt oder „High Potential“?

  1. Pingback: Burnout vorbeugen! Wie? | Esslinger Leiterforum

  2. Pingback: EQ – Führung: Leiten mit emotionaler Intelligenz | Esslinger Leiterforum

Kommentare sind geschlossen.